GEAS-Reform: historischer Kniefall vor den Rechtspopulisten Europas

Gemeinsame Erklärung der fluchtpolitischen Sprecher:innen von DIELINKE. im Europaparlament, Bundestag und in den Landtagen.

„Die in Brüssel beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen

Asylsystems (GEAS) ist die massivste Asylrechtsverschärfung, die es auf

EU-Ebene je gegeben hat und eine historische Zäsur. Das individuelle

Recht auf Asyl in der EU ist de facto tot. Dem stellen wir uns als Linke

entschieden entgegen. Die Reform wird weitreichende Konsequenzen für

die Rechte von Schutzsuchenden haben. Diese werden jetzt per Gesetz an

den EU-Außengrenzen massenhaft eingesperrt, festgehalten, kriminalisiert

und möglichst schnell abgeschoben, wenn möglich auch in sogenannte

“sichere Drittstaaten”.

Das wird in Zukunft auch bei Familien mit Kindern möglich sein. Das

Europäische Parlament ist in den Verhandlungen zum Fußabtreter der

Mitgliedstaaten geworden. Die Einigung orientiert sich maßgeblich an den

Vorstellungen der EU-Mitgliedsstaaten. Eine echte Reform von Dublin ist

gescheitert. Statt Menschen aufzunehmen, können die Mitgliedstaaten

Abschottungs-Projekte in Drittstaaten finanzieren oder Mittel zur

Grenzüberwachung, wie Stacheldraht innerhalb der EU bereitstellen. Das

nennt man dann auch noch “Solidaritätsmechanismus”. Familien werden

auseinandergerissen, denn Geschwister sollen bei der

Familienzusammenführung nicht als Familie gelten.

Der Rat hat es geschafft sich durchzusetzen und das Konzept der

sogenannten "Instrumentalisierung" von Migration” in die Krisenverordnung

aufgenommen. Dieses fragwürdige Konzept ist ein Blankoscheck für die

Aussetzung praktisch aller Rechte Schutzsuchender. Das werden die

Mitgliedstaaten missbrauchen, um die Ausnahme zur Regel zu machen. Ursprünglich hatte der Vorschlag zum Screening an den Außengrenzen

einen unabhängigen Überwachungsmechanismus für die Grundrechte

vorgesehen, dieser ist nach der Einigung maßgeblich ausgehöhlt.

Pushbacks an den Außengrenzen werden ungestraft weitergehen.

Außerdem können die Mitgliedstaaten nicht nur an der Grenze sondern auch innerhalb ihres Hoheitsgebietes das Screening durchführen. Das wird

zu einer massiven Zunahme von racial profiling in allen EU-Staaten führen.

Die Reform ist maßgeschneidert auf die Forderungen der Melonis und

Orbans und ein Verrat an den Rechten von Menschen auf der Flucht und

ein historischer Kniefall vor den Rechtspopulisten in Europa. Sie wird die

Herausforderungen der europäischen Migrationspolitik in der Praxis nicht

lösen. Im Gegenteil, sie legalisiert die jahrelangen Rechtsbrüche im

EU-Asylrecht durch die Mitgliedstaaten. Denn entgegen vieler

Behauptungen existiert in der EU keine “Migrationskrise” und es fehlen

auch keine Regelungen im Bereich der europäischen Asyl- und

Migrationspolitik. Wir befinden uns in einer Krise der Umsetzung des

aktuellen EU-Migrations- und Asylrechts, die sich in täglichen

Rechtsbrüchen der Mitgliedstaaten äußert. Dies ist Ausdruck der Krise der

Rechtsstaatlichkeit in der EU und des Infragestellens der Universalität der

Menschenrechte. Das geht uns alle an.

Die aktuellen, zu oft rassistischen, Diskussionen zur Asyl- und

Migrationspolitik sind unerträglich und normalisieren rassistische und

rechtspopulistische Narrative in Deutschland und Europa. Schutzsuchende

Menschen werden zu Sündenböcken gemacht. Europa erlebt einen

gefährlichen Rechtsruck. Das Recht auf Asyl verteidigen heißt auch, sich

allen Formen der Menschenfeindlichkeit entgegenzustellen. Uridee linker

Politik ist, dass alle Menschen gleich sind. Wir beteiligen uns nicht am

schäbigen und rassistischen Diskurs auf dem Rücken der

Schutzsuchenden. Für uns sind Menschenrechte nicht teilbar.

Als die Linke stehen wir für eine humane Asylpolitik, die die Belange der

Menschen in den Mittelpunkt stellt und ihren menschenrechtlichen

Verpflichtungen nachkommt. Dazu gehört ein solidarisches und humanes

Aufnahmesystem, in dem eine menschenwürdige Versorgung und

Unterbringung von Schutzsuchenden jederzeit uneingeschränkt

gewährleistet wird und Ersteinreiseländer entlastet werden. Dazu gehört

auch eine zügige Familienzusammenführung und die Berücksichtigung der

individuellen Belange der Schutzsuchenden. Wir stehen für ein offenes

Europa, das legale und sichere Wege schafft, um weitere Tote im

Mittelmeer zu verhindern. Statt die EU-Grenzschutzagentur weiter

aufzurüsten, muss der für die nächsten Jahre vorgesehene Milliarden-Etat in eine europäische Seenotrettungsmission investiert werden. Zivile

Seenotretter:innen dürfen nicht kriminalisiert werden.

 

Wir sind gegen beschleunigte Grenzverfahren und die Inhaftierung von

Menschen an den Außengrenzen. Wir wollen keine dreckigen Deals mit

Drittstaaten und keine Auslagerung von Asylverfahren. Dem

EU-Türkei-Deal und Kooperationen mit autoritären Regimen wie Libyen

oder Tunesien zum Zweck der Abschottung stellen wir uns entschieden

entgegen: Sie sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems und

müssen beendet werden. Die EU muss, statt Standards zu senken,

konsequent gegen die alltäglichen Rechtsverletzungen der

EU-Mitgliedstaaten und die Gewalt an den Außengrenzen, einschließlich

Pushbacks, vorgehen. Dazu braucht es einen wirksamen, unabhängigen

Überwachungsmechanismus an den Grenzen. Wir dürfen nicht schweigen

über diese Verbrechen an der Menschlichkeit an den Außengrenzen der

EU, denn sie geschehen in unser aller Namen.

 

Unterzeichner:innen:

Cornelia Ernst, Asyl- und migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im

Europaparlament

Clara Bünger, MdB für die Linke

Steffi Pulz-Debler, Integrations- und migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag Mecklenburg-Vorpommern

 

Juliane Nagel, asyl- und migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag

Carola Ensslen, Fachsprecherin für Flucht und Migration der Fraktion Die Linke in der

Hamburgischen Bürgerschaft

Katharina König-Preuss, Sprecherin für Migrationspolitik der Fraktion DIE LINKE im

Thüringer Landtag

 

Andrea Johlige, migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Die Linke

Brandenburg

 

Henriette Quade, Sprecherin für Migrations- und Asylpolitik Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt

 

Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende in der Bremischen Bürgerschaft